Der Gebärdendolmetscher

Ungewohntes Terrain in der Branche der Sprachmittler

Eines vorweg: Wie auch bei ermächtigten Übersetzern und beeidigten Dolmetschern gibt es verschiedene Berufsbezeichnungen. Die offziellen Verbände sprechen vom Gebärdensprachdolmetscher, geläufig ist jedoch auch Dolmetscher für Gebärdensprache und Gebärdendolmetscher. Da die Bezeichnung „Gebärdendolmetscher“ im Alltag besonders häufig vertreten ist, geht auch dieser Beitrag von diesem Standard aus.

Im Zusammenhang mit dem Beruf des Dolmetschers wird oftmals eine bestimmte Sprache bzw. ein bestimmter Sprachcode übersehen, der in Zeiten von Inklusion und Barrierefreiheit in unserer Gesellschaft einen höheren Stellenwert haben sollte. Die Rede ist von der Gebärdensprache. Und auch für Gebärdendolmetscher gibt es formelle Ausbildungsmöglichkeiten.

Dabei handelt es sich in Deutschland an den meisten Standorten um Bachelorstudiengänge an Fachhochschulen und Universitäten, deren Dauer auf 2-4 Jahre ausgelegt ist. Leider ist nur eine geringe Anzahl der Abschlüsse seitens Bundesverbandes der GebärdendolmetscherInnen Deutschlands e.V. anerkannt, obwohl es um die Berufsaussichten sogar sehr gut bestellt ist. Das Gehörlosenzentrum in Karlsruhe beispielsweise hat ein Einzugsgebiet, das sich von der Rhein-Neckar-Region bis ins Badener Land nach Freudenstadt erstreckt. Und auch viele Medienhäuser bedauern, nach wie vor nur eine unzureichende Abdeckung mit Gebärdendolmetschern für ihre Sendungen ermöglichen zu können.

Der Hintergrund des Gebärdendolmetschers

Das mäßige Interesse an der Gebärdensprache hat sicherlich mehrere Gründe. Zum einen ist es für Hörende eine immense motorische Herausforderung, im Jugend- oder Erwachsenenalter eine Sprache zu lernen, die nicht auf verbaler Kommunikation, sondern auf Gesten basiert. Daran schließt ebenfalls der mangelnde Kontakt zwischen Hörenden und Nicht-Hörenden an, eine Parallelwelt die es so auch in anderen Sprachcommunities gibt. Im Falle der Gebärdensprache ist diese Welt polit-historisch gewachsen, galt über Jahrzehnte hinweg die didaktische Maxime, Gehörlosen die „normale“ Sprache aufzuzwingen, ohne dabei auf die körperlichen Dispositionen der Gehörlosen einzugehen: Wer seine eigene Stimme überhaupt nicht oder nur schlecht hören kann, hat zwangsläufig Probleme, Wörter sowohl in Bezug auf Tonhöhe, Intonation und Lautstärke auszusprechen. Dieser Zwang, die gesprochene Sprache lernen zu müssen, konnte also nur fehlschlagen.

Sicher ist, dass diese zwei o.g. Punkte auf schlichte Unwissenheit im Umgang mit der Gebärdensprache zurückzuführen sind. So existieren sogar innerhalb der „Deutschen Gebärdensprache“ (DGS) mehrere Dialekte, was bedeutet, dass sich selbst Gebärdenmuttersprachler aus verschiedenen Regionen zunächst einmal aufeinander abstimmen müssen, um ihre unterschiedlichen Gesten zu verstehen – auch wenn selbstverständlich das sog. „Mundbild“ sehr hilfreich bei der Erkennung ist. Wichtig zu wissen ist auch, dass ein Unterschied zwischen Gebärdensprache und Fingeralphabet besteht. Verallgemeinernd beschrieben besteht die Gebärdensprache aus Gesten, denen eine, oder unter Zuhilfenahme des Mundbildes, mehrere bestimmte Bedeutungen zugeordnet sind. Das Fingeralphabet ist wie das graphische Alphabet zu verstehen. Gehörlose können so unbekannte Begriffe, Namen oder Orte darstellen.

Der Gebärdensprachdolmetscher: konsekutiv oder simultan?

Für das Berufsbild des Dolmetschers für Gebärdensprache ist dabei noch festzuhalten, dass es auch hier die Unterscheidung zwischen „Konsekutiv“ und „Simultan“ gibt. Ein jeder wird sicherlich schon die simultane Verdolmetschung in Gebärdensprache am unteren Bildrand vieler Nachrichtensendungen bemerkt haben. Umgekehrt erfolgt die konsekutive Verdolmetschung von Gebärdensprache häufig dort, wo Tagungen mit sowohl hörenden als auch gehörlosen Teilnehmern stattfinden. Gleiches gilt für die Vermittlung auf Ämtern oder bei Ärzten.

Auf Übersetzer.jetzt können Sie als Dolmetscher für Gebärdensprachen ein Profil anlegen und als Auftraggeber nach Gebärdensprachendolmetschern suchen.


Weiterführende Informationen zum Thema:

Felix Hoberg

Felix ist Übersetzer mit den Arbeitssprachen Französisch und Spanisch und bloggt aus Leipzig über relevante Inhalte für Übersetzer und Dolmetscher bei Übersetzer.jetzt