Prüfung: Staatlich geprüfte/r Übersetzer/in

Ein Interview mit einer erfolgreichen Absolventin zur Prüfung

Nach der erfolgreich bestandenen Prüfung zur staatlich geprüften Übersetzerin hat Linda Kutzner (LK) sich freundlicherweise bereit erklärt Übersetzer.jetzt ein Interview zu geben, das wir im Folgenden transkribiert haben.


Übersetzer.jetzt: Welche Berufsbezeichnung dürfen Sie nun mit Bestehen dieser Prüfung tragen?

LK: Ich bin berechtigt, die Bezeichnung „staatlich geprüfte Übersetzerin“ im Sprachpaar Deutsch-Polnisch zu führen.

Übersetzer.jetzt: Welchen Mehrwert hat das Bestehen der Prüfung für Sie? Schließlich waren Sie auch schon vorher professionelle Übersetzerin.

LK: Das stimmt. Ich kann auf mittlerweile 11 Jahre Berufserfahrung als Übersetzerin zurückblicken. Nachdem ich das Germanistik-Studium absolviert hatte, arbeitete ich 7 Jahre lang ausschließlich in Polen. Vor 4 Jahren bin ich nach Berlin umgezogen. Die deutschen Übersetzungsbüros stellen sehr hohe Anforderungen und die Konkurrenz in meiner Sprachkombination ist auch sehr groß. Die Übersetzungsagenturen wollen hauptsächlich mit Übersetzern zusammenarbeiten, die entweder ihr Diplom in Deutschland gemacht oder eben die staatliche Prüfung bestanden haben. Dank meiner langjährigen Erfahrung und der bestandenen Prüfung bekomme ich nun auf jeden Fall mehr Anfragen von den deutschen Übersetzungsbüros.

Übersetzer.jetzt: Wie lange haben Sie sich insgesamt auf die Prüfung vorbereitet?

LK: Ich würde sagen, meine Tätigkeit als Übersetzerin war die beste Vorbereitung auf die Prüfung. Außerdem habe ich einen sehr guten Kurs für Übersetzer in meinem Sprachpaar an der Berliner VHS besucht. Mit der eigentlichen Vorbereitung auf die Prüfung habe ich aber ca. ein Jahr früher angefangen. Ich habe fast jeden Abend die deutsche und polnische Presse gelesen, Nachrichten gehört und die laufenden Ereignisse verfolgt. Dabei habe ich mich auf die deutsch-polnischen Beziehungen konzentriert. Ein paar Monate vor der Prüfung habe ich verschiedene Presseberichte übersetzt. Da ich mich für das Fachgebiet Geisteswissenschaften entschieden habe, habe ich vor allem Texte aus den Bereichen Kultur und Literatur übersetzt.

Übersetzer.jetzt: Wie lange dauerte die Prüfung allgemein? Gab es dabei einen mündlichen Anteil (obwohl es ums Übersetzen geht)?

LK: Der gesamte Prüfungsprozess dauert sehr lange. Die Prüfung besteht aus drei Teilen: dem schriftlichen Teil vor dem Prüfungsausschuss, den Hausarbeiten und dem mündlichen Teil. Zum mündlichen Teil wird man nur dann zugelassen, wenn man die schriftlichen Teile bestanden hat. Der stressigste Teil bei der mündlichen Prüfung war für mich das Stegreifübersetzen. Man bekommt zwei Texte: einen übersetzt man in die Ausgangssprache und den anderen in die Zielsprache, davon ist ein Text allgemeinen Inhalts und einer aus dem Fachgebiet. Man hat nur eine Minute Zeit, um sich mit den Texten vertraut zu machen. Darüber hinaus wird ein Prüfungsgespräch über wirtschaftliche, politische und kulturelle Gegenwartsfragen geführt. Auch das landeskundliches Wissen wird geprüft. Schließlich muss ein guter Übersetzer auch die kulturellen Unterschiede verstehen sowie ein umfangreiches Wissen, z. B. in Bezug auf das Schulwesen und das politische System haben.

Übersetzer.jetzt: Welche Unterschiede gibt es von Bundesland zu Bundesland – bzw. da Sie einen starken Bezug zu Polen haben: dort – in den Prüfungsanforderungen?

LK: Wie schon erwähnt, besteht die Prüfung in Berlin aus drei Teilen. In einigen Bundesländern entfallen die Hausarbeiten. In Polen gibt es eine ganz andere Prüfung. Wenn man eine philologische Fakultät absolviert und die erste Erfahrung als Übersetzer sammelt hat, gilt man einfach als Übersetzer. Es gibt aber eine Prüfung für Übersetzer. Wenn man sie bestanden hat, wird man beeidigter Dolmetscher und ermächtigter Übersetzer. Diese Prüfung sieht ganz anders als in Deutschland aus. Man muss auf jeden Fall über ein umfangreiches juristisches Wissen verfügen und den juristischen Wortschatz sehr gut kennen. In Deutschland ist dagegen die bestandene staatliche Prüfung lediglich eine der Voraussetzungen, um beeidigt bzw. ermächtigt zu werden.

Übersetzer.jetzt: Und überhaupt: Wird die Prüfung auch im Ausland anerkannt?

LK: Wenn ich jetzt wieder in Polen leben bzw. mit polnischen Übersetzungsagenturen zusammenarbeiten wollte, würde man die bestandene Prüfung als eine zusätzliche Qualifikation sehen.

Übersetzer.jetzt: Gibt es Beschränkungen, wie oft man die Prüfung bei Nicht-Bestehen wiederholen darf?

LK: In Berlin kann die Prüfung nur einmal wiederholt werden. Da die Prüfung in Berlin als besonders schwierig gilt, entscheiden sich einige in der Sprachkombination Deutsch-Polnisch, sie in Leipzig abzulegen. Bei diesem Prüfungsamt gibt es z. B. keine Hausarbeiten.

Übersetzer.jetzt: Warum empfehlen Sie diese Prüfung auch Berufseinsteigern in Ihrem Beitrag? Als Unerfahrener hat man doch vermeintlich andere Anliegen im Kopf?

LK: Übersetzer an sich ist leider kein geschützter Beruf. Jeder, der mal paar Monate im Ausland gelebt hat und sich die Sprache/n einigermaßen angeeignet hat, darf sich so bezeichnen.

Übersetzer.jetzt: Vielen Dank für diese Einblicke und Ihre Zeit.

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Linda Kutzner ist staatlich geprüfte Übersetzerin in Berlin in der Sprachkombination Deutsch und Polnisch. Auf Ihrer Webseite betreibt sie einen eigenen Blog, der auch einen Erfahrungsbericht zur Prüfung zur staatlich geprüften Übersetzerin beinhaltet.

Felix Hoberg

Felix ist Übersetzer mit den Arbeitssprachen Französisch und Spanisch und bloggt aus Germersheim über relevante Inhalte für Übersetzer und Dolmetscher bei Übersetzer.jetzt